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Cicogna – Varola – Alpe Curgei – Pian Cavallone – Monte Todano – Colle della Forcola – Passo del Diavolo – Pizzo Marona – Bivacco Pian Vadà – Monte Zeda – Bivacco Pian Vadà – Passo Folungo

16.07.-18.07.20

Unsere Abenteuerlust hat uns ins Val Grande geführt, eines der größten Wildnisgebiete in Europa. Der italienische Nationalpark liegt zwischen dem Lago Maggiore und Domodossola nahe der Schweizer Grenze.

Auf dem Weg zur Alpe Varola
Der zugewachsene Weg nach der Colle della Forcola.

Passo del Diavolo

Wir lieben es dort zu wandern, wo wir nicht auf Menschenmassen treffen. Das wilde Val Grade ist für uns in der Hinsicht sehr reizvoll. Es wird keine Alpwirtschaft mehr betrieben, es gibt lediglich Bivaccos (Schutzhütten) inmitten des Parks. Am Rande gibt es auch ein paar wenige Rifugios (bewirtete Hütten).

Nachdem wir uns ein wenig erkundigt hatten, war uns klar, dass wir unbedingt diese Wildnis erkunden möchten. Gleich beginnen wir mit der Planung. Wir schauen ein paar Videos, lesen ein paar Berichte und schließlich kaufen wir uns noch das Buch „Nationalpark Val Grande“ von Bernhard Herold und Tim Shaw.

Wir wollen uns gut vorbereiten, da wir trotz unserer bisherigen Erfahrung doch Respekt vor der Wildnis haben. Aus unseren Quellen geht hervor, dass einige auf Karten eingezeichnete Wanderwege nicht mehr existieren und man leicht vom Weg abkommen kann. Auch auf Handyempfang ist im Val Grande kein Verlass. Für unsere Routenplanung nutzen wir die swisstopo map von SchweizMobil. Als Grundlage dient uns das Buch, welches viele wertvolle Tipps liefert. Dort ist beispielsweise ersichtlich, welche Wege tatsächlich noch bewanderbar sind. Schnell ist klar, dass auch Offline-Kartenmaterial mit GPS-Standortermittlung nicht fehlen darf. Auf eine gedruckte Karte wollen wir uns in diesem Fall nicht ausschließlich verlassen.

Tag 1:

Mit dem Auto reisen wir nach Cicogna. Dies ist bereits das erste Abenteuer der Tour. Das Wort Bergstraße hat nun eine ganz andere Bedeutung für uns bekommen. Wir haben in der letzten Zeit bereits einige Bergstraßen mit dem Auto passiert, jedoch keine so unglaublich enge. Es gibt nur wenige Ausweichbuchten. Vor jeder Kurve beten wir, dass keiner entgegenkommt. Glücklicherweise kommen uns nur wenige Autos entgegen und wir bekommen es gemeistert.

Wir ergattern einen der letzten Parkplätze, ziehen unsere Wanderkleidung an und packen die Rucksäcke. Noch schnell ein Foto am Parkplatz vom Auto aus und los geht’s.

Am Parkplatz in Cicogna

Die Wanderung beginnt im schattigen Wald, was uns sehr entgegenkommt da wir erst gegen 13 Uhr in der Mittagshitze mit der Wanderung starten (keine Empfehlung von uns an dieser Stelle!). Bald geht es bergab Richtung Rio Pogallo, den wir über eine Brücke passieren. Dann wird es anstrengend, so steil wie es herunter zum Fluss ging, geht es jetzt auch bergauf.

Die feuchtwarme Luft macht uns etwas zu schaffen. Unser Tagesziel Colle della Forcola ist etwa 6,5 km entfernt und wir haben um die 1400 Höhenmeter zu bewältigen. Plan ist es, gegen Abend unser Lager dort aufzuschlagen.

Wir nähern uns der Alpe Varola und schmieren uns mit Sonnencreme ein, da wir uns nicht mehr im Wald befinden und schnell merken, dass die Sonne ordentlich brennt.

Anja entdeckt bald die ersten Blauberrsträucher und beginnt zu naschen. Die Jungs drängeln und wollen weiter – aber sie sind doch soooo lecker! Unglaublich, wie viele Blaubeeren es hier gibt. Wir haben auf noch keiner Wanderung so viele Blaubeeren gesehen. Da wir erst knapp 2 Stunden unterwegs sind, muss Anja schnell hinterher, viel trödeln ist heute nicht drin.

Blaubeeren 🙂

Wir erreichen die Alpe Varola und nehmen einen kleinen Snack zu uns. Wir wollen eigentlich eine kurze Pause einlegen, jedoch wird hier unsere Ruhe gestört. Große brummende Stechfliegenähnliche Insekten belästigen uns und wir entscheiden weiter zu gehen und erst an der Alpe Curgei eine richtige Pause einzulegen.

Alpe Varola

Wir schnallen uns die Rucksäcke wieder um und ziehen weiter. Bald haben wir Abstand zwischen uns und die Brummviecher gebracht. Nun ist ein anderes Geräusch hörbar. Fleißige Männer mähen mit Freischneidern die Wege. Was für eine harte Arbeit in der Hitze, bei dieser Höhe und es ist sehr steil. Wir fragen uns, ob sie mit den Freischneidern die gleiche Strecke zurück gelegt haben wie wir. Freundlich wird Platz für uns gemacht und wir werden gegrüßt.

Schließlich erreichen wir die Alpe Curgei, die ersten 1000 Höhenmeter und die schlimmsten Passagen sind nun geschafft.

Verdiente Pause an der Alpe Curgei.

Ausblick von der Alpe Curgei.

Wir nehmen auf der Bank vor dem Bivacco Platz, genießen den Ausblick, kochen uns eine Mahlzeit und füllen unseren Wasservorrat wieder auf. Wir freuen uns auf den restlichen Weg, da dieser nun nicht mehr so steil ist.

Noch mehr Blaubeeren 🙂
Blick auf den Lago Maggiore
Pian Cavallone.

Auf dem gemütlichen Pfad angelangt können wir noch ein paar Blaubeeren naschen und genießen den Ausblick auf den Lago Maggiore. Noch wissen wir nicht, dass wir die Nacht in der Nähe des kleinen Gipfelkreuzes verbringen werden. Es läuft mal wieder nicht nach Plan im Val Grande, aber dazu später.

Wir erblicken die Kapelle Pian Cavallone und können schon Colle delle Forcola erblicken, unseren vermeintlichen Schlafplatz.

wir genießen die Abendsonne kurz vor unserem Tagesziel.
Kurz vor der Colle della Forcola

Wir kommen an der Colle della Forcola an und müssen feststellen, dass alles steil ist und es unmöglich ist dort zu schlafen. Wir hatten uns vorher im Internet Bilder angeschaut, die passten allerdings leider nicht zu dem, was wir vorfinden… Alle fix und fertig mit 1400 m Aufstieg und 600 m Abstieg auf 6,5 km in der Mittagshitze in den Knochen und dann sowas.

Weitergehen? Keine Option, nur steiles Gelände in Sicht. Umdrehen? Muss dann wohl.

Enttäuscht drehen wir um und gehen zurück zu Pian Cavallone. Wir entscheiden uns, die Rucksäcke dort zurückzulassen und noch einen kurzen Abstecher auf den Monte Todano zu machen. Danach gehen wir zu dem Gipfelkreuz mit Blick auf den Lago Maggiore. Dies ist zwar nicht unser geplantes Nachtlager, jedoch ein schöner Ort, um den Sonnenuntergang zu genießen.

Da sind wir heute Mittag los! Im Dunst ist Cicogna noch leicht zu erkennen.
Das ungeplante Nachtlager.

Beim Abendessen werden wir mit einer herrlichen Abendstimmung belohnt. Anja blickt herum, es ist schon etwas Dunst in den Tälern. Plötzlich entdeckt sie Cicogna. Stolz blicken wir ins Tal und können kaum glauben, wie weit es weg ist. Es ist ein unbezahlbares Gefühl zu realisieren, was wir heute geschafft haben. Zur einen Seite haben wir Blick auf den Lago Maggiore und zur anderen Seite ins Val Grande, welches nach und nach im Dunst und dann in der Dunkelheit verschwindet. Die Luft kühlt rasch ab, sodass wir uns bald in unsere Schlafsäcke kuscheln und der wohl verdienten Nachtruhe widmen.

Tag 2:

In den nächsten Tag gehen wir gemütlich an. Nur Anja muss unbedingt den Wecker früh stellen, um den Sonnenaufgang anzuschauen. Wir ruhen uns noch etwas aus und warten mit dem Aufbruch bis unsere Zelte einigermaßen trocken sind.

Ein zweites Mal passieren wir die Colle della Forcola. Wir ahnen noch nicht, was uns dann erwartet. Laut dem Buch, mit welchem wir unsere Touren im Val Grande geplant haben, ist Pian Cavallone – Pizzo Marona mit T3 beschrieben. Es ist dort die Rede davon, dass man nach der Colle della Forcola im Sommer mit hohem Gras zu kämpfen hat, der Weg kontinuierlich ansteigt und kurz vor dem Passo del Diavolo Ketten vorhanden sind. Das klang für uns vollkommen in Ordnung.

Auf dem Weg zum Passo del Diavolo laufen wir östlich unterhalb des Cima Cugnacorta. Wie erwartet ist das Gras dort sehr hoch. Dadurch wird unser Tempo enorm verlangsamt. Das Gras ist rechts und links vom Trampelpfad so hoch, dass wir den Trampelpfad nicht sehen können, ohne es mit dem Fuß bei Seite zu schieben. Dazu kommt das Wissen, dass die Aspis Vipern sich gerne im hohen Gras befinden. Also tasten wir uns vorsichtig vorwärts. Der erste von uns gibt Bescheid, wenn sich auf dem Weg etwas befindet, worüber wir stolpern können oder wenn der Weg abgerutscht ist.

Typisch nach der Colle della Forcola, der zugewucherte Weg.
Kurz vor dem Passo del Diavolo
Passo del Diavolo

Nach und nach kommen immer mehr kleine Kletterstellen hinzu, es wird ziemlich steil. Der Weg ist mehr oder weniger gut erkennbar, wir beginnen die Markierungen zu suchen. Wenn wir uns weiter umschauen ist schwer erkennbar, wo der Weg verläuft. Wir würden es definitiv eher als T4 einordnen.

Wir nähern uns dem Passo del Diavolo. Anja fängt an rumzumaulen, dass sie diesen Weg nicht zurückgehen möchte. Bergauf ist doch einfacher als bergab und vor allem mit dem schweren Gepäck. Es ist einiges an Konzentration gefordert. Jeder Schritt mag bedacht sein. Auf der Erhöhung des Passo del Diavolo angekommen könne wir unser Glück kaum fassen. Es bietet sich ein wunderschöner Blick auf den Lago Maggiore. Und dann kommt es zu einem magischen Moment. Wir erblicken ein Adlerpärchen, im Hintergrund der Lago Maggiore. Wir sind alle so gebannt von dem Anblick, dass keiner ein Foto macht. Dann sind die Adler leider verschwunden und wir sehen sie leider auch nicht wieder.

Ausblick vom Pizzo Marona auf den Lago Maggiore

Vom Pizzo Marona ist der Ausblick noch überwältigender als vom Passo del Diavolo. Für heute haben wir den höchsten Punkt erreicht. Erschöpft lassen wir uns nieder und machen eine wohlverdiente Pause. Es ist ein unglaublich schönes Gefühl nach der Schinderei, diese atemberaubende Kulisse anschauen zu können.

Aufbruch vom Pizzo Marona.

Hinter dem Pizzo Marona stapfen wir wieder durch hohes Gras. Schon bald hinter dem Gipfel haben wir einen Blick auf den gesamten restlichen Wegverlauf.

Gipfel des Mote Zeda in den Wolken.

Der Gipfel des Monte Zeda ist in einer Wolke versteckt. Von hier aus können wir unterhalb des Monte Zeda den Wegverlauf gut erkennen. Wir können es kaum abwarten diesen sachte verlaufenden Panoramaweg zu erreichen. Doch bis wir dort ankommen, haben wir noch mehr Gekraxel vor uns als wir denken. Es ist nicht viel anspruchsvoller als vorher, jedoch lässt die Konzentration langsam nach und wir werden alle recht müde. Einige Stellen sind mit Ketten gesichert und dadurch sehr gut zu passieren.

Wir können unser Tagesziel das Bivacco Pian Vadà schon sehen (auf dem Bild leider rechts abgeschnitten), trotzdem scheint es ewig zu dauern dort anzukommen.

Begegnung mit einem Brockengespenst.

Unterwegs treffen wir noch auf ein Brockengespenst. Ein Phänomen welches auftritt, wenn der eigene Schatten auf eine Wolke oder Nebel trifft.

Es wird immer wolkiger. Wir ahnen, dass es noch ein Gewitter geben könnte. Da wir keinen Empfang haben, können wir jedoch das wetter nicht checken und rechen erstmal mit dem Schlimmsten.

Schließlich erreichen wir das Pian Vadà. Hierbei gibt es zwei Gebäude. Ein großes, welches recht luxuriös ausgestattet zu sein scheint und ein kleines welches über drei Schlafplätze verfügt. Das große Bivacco ist verschlossen und nur zugänglich für Clubmitglieder. Das kleine hingegen ist öffentlich.

Das Bivacco ist in Sicht.

Wir erfreuen uns der Wasserstelle und trinken das frische Wasser. Erschöpft stellen wir auf der flachen Ebene zwischen den Bivaccos unsere Zelte auf. Wegen Corona, ist es verboten in den Bivaccos zu nächtigen. Allerdings sieht der Himmel doch etwas beängstigend aus mit den großen Wolken. Wir beschließen in das Bivacco zu flüchten, falls wirklich ein Gewitter aufzieht.

Die Ruhe vor dem Sturm.

Wir kochen uns gemütlich Abendessen und überlegen wie wir die Tour umplanen. Für Anja steht fest – zurück geht sie diesen Weg nicht.

Zwei nette Wanderer, die auf dem Monte Zeda waren kommen bei uns vorbei. Wir unterhalten uns kurz mit ihnen. Erstaunt sprechen sie uns wegen unseres Gepäcks an und fragen uns nach unserer Tour. Sie erklären uns für etwas verrückt. Da sie ortskundig sind, raten uns den gleichen Weg nicht zurückzugehen.

Wir beschließen am nächsten Morgen zum Sonenaufgang auf den Monte Zeda zu gehen und dann hoffentlich jemanden zu treffen der uns von il Colle mitnehmen kann.

Erschöpft krabbeln wir in unsere Schlafsäcke und treten die Nachtruhe an. Jedoch leider nicht für lange Zeit.

Wir werden plötzlich von einem unglaublich lauten Donner geweckt. Auf einmal sind wir alle hellwach und schnappen schnell die wichtigsten Sachen. Wir flüchten ins Bivacco. Wird uns wohl keiner übel nehmen in dieser Situation…

Im Bivacco erwartet uns unglaublich stickige Luft. So richtig schlafen kann keiner mehr. Einerseits haben wir großen Respekt vor dem Wetter. Andererseits die fehlende Luft.

Stehen unsere Zelte morgen noch da, wo wir sie zurückgelassen haben? Es hört sich nach einem starken Gewitter an.

Tag 3:

Am nächsten Morgen begrüßt uns freundlich die Sonne, die Wolken sind jedoch noch immer da.

Unsere Zelte zum Glück auch. Sie stehen unversehrt an Ort und Stelle, als wenn nichts passiert wäre. Es hat sich wohl schlimmer angehört, als es war. Wir sind erleichtert.

Wir machen uns auf den Weg zum Mote Zeda und sind gespannt, ob wir von oben etwas sehen werden können. Es ist ziemlich wolkig und die Aussicht auf einen schönen Ausblick von dort oben erscheinen uns gering.

Wir nehmen nur das nötigste mit, den Rest lassen wir in den Zelten. Ein unglaublich schönes Gefühl mal mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein. Auf dem Gipfel angekommen, genießen wir den Ausblick in die Wolken. Ab und zu tut sich für kurze Zeit ein Loch auf und wir könne etwas in die Ferne schauen.

Wir checken, ob wir Empfang haben und überlegen, ob wir bei dieser grandiosen Aussicht wohl jemanden antreffen werden. Es sind kaum 5 Minuten auf dem Gipfel vergangen, da kommen zwei Trailrunner. Wir unterhalten uns mit Ihnen uns Sie schlagen von selbst vor uns mitzunehmen. Wir sind so unbeschreiblich glücklich!

Unsere Retter 🙂

Also machen wir uns wieder auf den Weg zu den Zelten, packen in Windeseile alles ein und gehen mit den beiden mit über den Passo Folungo bis wir schließlich Il Colle erreichen. Von dort aus nehmen ´die beiden uns mit bis Piancavallo, wo wir in den nächsten Bus steigen. So gelangen wir nach Verbania und von Verbania gönnen wir uns ein Taxi, um zum Auto nach Cicogna zurückzukommen. Was eine Odyssee.

Fazit und Rundblick

Wir hatten eine wunderschöne Zeit im Val Grande, auch wenn es nicht wie geplant verlaufen ist. Wir haben nur sehr wenige andere Wanderer getroffen und hatten wirklich das Gefühl von Wildnis: Die teils kaum erkennbaren oder nicht mehr vorhandenen Wanderwege, Einsamkeit, Ruinen, kein Handyempfang und keine Alpwirtschaft.

Definitiv sind wir an unsere Grenzen gestoßen, in den Bergen ist es von großer Bedeutung dies zu erkennen und dementsprechend zu reagieren.

Wir würden es wieder tun, denn die Schönheit, Einsamkeit und Ruhe der Wildnis ist ein unbezahlbares Erlebnis für uns gewesen.